Vor dem Bundesgerichtshof wird zur Zeit über eine Wisent-Herde verhandelt, die im Rothaargebirge in NRW lebt. Die Wisente sind die europäischen Bisons und werden bis zu einer Tonne schwer. Und wie alle Tiere, die dem Menschen im Weg stehen, hat er sie gnadenlos ausgerottet. Das letzte freilebende Wisent wurde 1927 erschossen. Vor der endgültigen Ausrottung hat man sich aber dann doch dazu entschieden, mit Zootieren die Art zu retten. Und im Wald von Bialowieza im Osten von Polen auszuwildern. Dort leben jetzt die meisten der europäischen Wisente.

Freilebende Wisente in Deutschland

Im Rothaargebirge hat sich der Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg irgendwann dazu entschlossen, ein einmaliges Projekt zu starten. Der Fürst war ein großer Naturschützer und seine Wälder gelten als größtes, zusammenhängendes Naturgebiet in NRW. Und so entschloss er sich zusammen mit einem Verein, der Wisent-Welt-Wittgenstein , eine Herde von acht Wisenten auszuwildern. Diese Herde lebt tatsächlich frei in den Wäldern. Was erstmal schwer vorstellbar ist. Da leben große, tonnenschwere Rinder in unseren Wäldern. So etwas ist man einfach gar nicht mehr gewohnt. Sind doch die größten Tiere die man mal sieht, Rehe oder vielleicht einmal ein Hirsch.

Echte Wildnis in Deutschland?

Der Begriff Wildnis trifft in Deutschland wohl auf kein Gebiet mehr zu. Der Wald von Bialowieza ist noch Wildnis, ein Flachlandurwald. Vielleicht kann man einige Gebiete in Deutschland noch als ursprünglich bezeichnen. Aber die meisten Naturlandschaften sind nur noch Kulturlandschaften. In denen der Mensch doppelt und dreifach eingegriffen hat. Mittlerweile versucht man, die Sünden aus der Vergangenheit wieder rückgängig zu machen. Man renaturiert Bäche und Flüsse und versucht Wiesen und Moore wieder zu vernässen. Großflächige Renaturierungen finden im Moment besonders an der Lippe statt. Die man früher versucht hat in ihr Bett zu zwingen und schiffbar zu machen. Diese Gebiete werden dann ziemlich schnell wieder zu Natur. Wenn auch immer noch kontrolliert durch den Menschen. Natur und Naturschutzgebiete müssen in Deutschland eingezäunt werden. Was passiert, wenn man es nicht tut, kann man eigentlich jeden Tag beobachten. Da wird mit allem was es so gibt durch die Landschaft gepflügt. Da entstehen schnell Trampelpfade über Wiesen und sobald die Wiese einmal gemäht wird, ist das eine Hundewiese. Ansonsten fährt man halt mit seinem Mountainbike oder der Motocross-Maschine durch die Botanik.

Echte Freiheit

Die Wisent-Herde ist wirklich frei und wird nicht durch Zäune in einem Gebiet gehalten. Und die Herde fühlt sich dabei sehr wohl und vermehrt sich. Mittlerweile hat die Herde 20 Tiere, der Nachwuchs wird fast immer in Freiheit geboren. Auch sonst nutzt die Herde ihre Freiheit. Sie ist überall unterwegs und beschränkt sich dabei nicht mehr nur auf die Wälder und Gebiete des Fürsten. So wandern sie auch in das benachbarte Sauerland. Was dann zu Konflikten führt und deshalb sind die Wisente jetzt ein Fall für den Bundesgerichtshof.

Konflikte mit den Menschen

Zwei Forstlandwirte haben geklagt, weil die Wisente die Rinden ihrer Buchen anfressen. Es gibt zwar einen Entschädigungsfond, aus dem die beiden Waldbauern für ihren Schaden bezahlt werden, aber den beiden Landwirten geht es um den Schutz ihrer Bäume. Es geht um die geschützten Rotbuchen. Die Waldbauern wollen nicht mit ansehen, wie der Wald stirbt. Ein ähnlicher Konflikt wie es ihn wohl auch wegen der Wölfe und den gerissenen Nutztieren gibt.

Warum ist das jetzt ein Fall für den Bundesgerichtshof, unsere höchste gerichtliche Instanz? Weil das Oberlandesgericht Hamm ein abstraktes Urteil gefällt hat, was eigentlich kein Urteil ist. Sie schieben die Entscheidung einfach weiter. Und werden sie so trotzdem bald wieder auf dem Tisch haben. Nach dem Oberlandesgericht sind die Wisente als herrenlose Tiere anzusehen. Für die dann niemand verantwortlich ist. Trotzdem soll der Wisent-Verein Maßnahmen ergreifen, um die Bäume der Forstlandwirte zu schützen. Was dann eigentlich nur eine Einzäunung der Tiere zur Folge haben kann. Das Gericht würde es aber wohl lieber sehen, wenn die Tiere eingefangen werden und nach Bialowieza gebracht werden. Was aber fast gar nicht machbar ist. Alle Tiere in dem unwegsamen und steilen Gelände zu betäuben und einzufangen, ist äußerst schwierig. Weil es auch Herdentiere sind, die darauf reagieren würden.

Wildlebende Tiere fallen unter den Artenschutz

Wenn die Wisente aber tatsächlich als herrenlose und wilde Tiere anerkannt werden, dann kann man sie gar nicht ohne Sondergenehmigung wieder einfangen. Weil sie dann als bedrohte Art unter den Artenschutz fallen. Und so geschützt sind wie der Wolf. Auch am Bundesgerichtshof konnte noch kein Urteil gefällt werden. Zu paradox ist in diesem Fall die Rechtssprechung. Und das Gericht hat schon angedeutet, das man sich doch vielleicht besser außergerichtlich Verständigen soll.

Auf ein Urteil wird auch in der Schweiz, Belgien und Dänemark gewartet, wo man Auswilderungen vorbereitet. Eine Niederlage für den Wisent-Verein würde das Artenschutzprojekt beenden. Und wäre wieder mal bezeichnend für unser Verhalten und unserer Einstellung zur Natur. Das gehört hier nicht hin, dafür ist hier kein Platz und das was ich als Mensch mit der Natur mache, ist wichtiger als jedes Tier!